Uckermärkischer Geschichtsverein zu Prenzlau

Ortsgruppe Fürstenwerder

Eine Mauer für die Bürger – Fürstenwerder um 1250 – mitten im Hochmittelalter

Henning Ihlenfeldt

Stadtmauer Fürstenwerder nach der Sanierung - am Friedhof

Seen, Flüsse und Moore waren schon immer gute geografische Punkte für Grenzziehungen. Besonders in den unruhigen Zeiten des frühen 13. Jahrhunderts. Gerade erst hatte die deutsche Kolonisierung des Gebietes zwischen Elbe und Oder ihren Abschluss gefunden. Ehemals slawische Siedlungen waren zu mecklenburgischen, pommerschen oder brandenburgischen Siedlungen geworden. Überall entstanden neue Dörfer und Städte. Kein Wunder also, dass auch an der schmalen Stelle zwischen Großem See und Dammsee, einer trockenen Landzunge zwischen all den Sümpfen und dichten Wäldern, eine Siedlung heranwuchs, die schon bald zu einer Grenzfeste ausgebaut wurde. Sie sollte als „brandenburgische Grenzwacht“ den Übergang zu Mecklenburg abschirmen und erhielt deshalb eine Stadtmauer mit Gräben und Wällen.

Von Bedeutung ist, dass Fürstenwerder das „Magdeburger Stadtrecht“ verliehen wurde. Damit verbunden war:
– das Recht auf Verteidigung mit dem Bau einer Stadtmauer
– einen eigenen Markt und Handel
– eigene, freie Gerichtsbarkeit
– Sicherung des christlichen Glaubens, durch den Bau einer großen Feldsteinkirche

Für die Entstehungszeit der Stadtmauer wird die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts genannt. Sie hatte eine Gesamtlänge von ca. 1200 m. Ihre west-östliche Ausdehnung beträgt 440 m, die nord-südliche 350 m.

Fürstenwerder - Woldegker Tor - Hochformat - Farbe - heute
In den geschlossenen Mauerring wurden als einzige Durchgänge drei große Tordurchfahrten gebaut. Das Prenzlauer Tor, das 1878/79 für den Straßenbau nach Prenzlau abgerissen wurde, das Woldegker Tor (früher Wasser-Tor) und das Berliner Tor (früher das Hohe Tor), die beide bis heute erhalten sind.

Die Stadttore hatten folgenden Aufbau: Ein Mauerstück mit einer spitzbogigen Durchfahrtsöffnung in Backstein (Klosterformat), die ursprünglich durch ein Fallgitter verschließbar war, wurde beidseitig eingefasst durch rechteckige Wiekhäuser, die denen der Stadtmauer entsprechen, also auch zur Stadtseite offen waren. Die Tordurchfahrt beider Tore beträgt 3,90 m, die Höhe 4,60 m.

Am Woldegker Tor lassen sich noch Schießscharten erkennen und die Eisenhaken, an denen die Stadttore hingen. Ungefähr einen halben Meter über der Toröffnung am Woldegker Tor erkennt man einen großen vorspringenden Stein, der das Ausheben der Torflügel auf der Landseite verhindern sollte.

Fürstenwerder - Berliner Tor - Hochformat - Farbe - heute
Fürstenwerder - Prenzlauer Tor - Zeichnung von A. Kranzpiller nach Paul Wiedes
Das Prenzlauer Tor hatte eine Besonderheit. Nach Aufzeichnung des 1. Ortschronisten von Fürstenwerder, Paul Wiede, befand sich oben auf dem Tor ein dicker eiserner Ring mit einem Adler. Dieser war aber aus dem Ring schon heraus. Rechts und links von dem Ring befanden sich gleichgroße Chur-Brandenburgische Abzeichen. Bei Schützenfesten, die früher von vielen Bürgern in Fürstenwerder gefeiert wurden, wurden Steine durch den Ring geworfen, ein Andenken an das Ende der frühen Pommernherrschaft. Dieser Ring muss schon sehr alt gewesen sein.
Aus der Stadtmauer ragen 35 rechteckige Wiekhäuser nach außen hervor, die Verteidigungszwecken dienten und im Abstand von ca. 30–40 m errichtet wurden. In den zur Stadtseite offenen Wiekhäusern befanden sich Mauervorsprünge, auf die Holzböden aufgelegt werden konnten. Diese konnten Besatzungen zur Verteidigung der Mauer aufnehmen. Eine wirksame Abschreckung gegen ländliche Ritter auf Raubzügen und gegen territoriale Begehrlichkeiten anderer Herrscherhäuser.
Die Höhe der Stadtmauer betrug bis zu 7 m. Sie wurde als zweischaliges Natursteinmauerwerk erbaut. Das heißt: sie besteht aus zwei Steinwänden, einer äußeren zur Land- und einer inneren zur Stadtseite. Der Mauerwerkskern zwischen den zwei Steinwänden besteht aus in Mörtel verarbeitetem Natursteinbruch und Lesesteinen. Die Mauer erreicht im unteren Bereich eine Breite von 120 cm. Nach oben verjüngt sie sich.
Fürstenwerder - Stadtmauer - Detailansicht vom Mauerwerk
Konstruktionsbestimmend ist der Einbau von Zwischenschichten in die einzelnen waagerechten Steinlagen der jeweiligen Innen- und Außenwände. Es entstand auf diese Weise ein Schichtverband, dessen einzelne Schichten eine durchschnittliche Stärke von 36–40 cm haben. Die Feldsteingrößen variieren stark. Von Steinen im Lesesteinformat bis zu Steinen mit einer Länge von 45 cm. Im Durchschnitt weisen die Feldsteine eine einheitliche Größe in Länge, Höhe und Tiefe von 30–35 cm auf, gleichbedeutend für beide Seitenwände. Sämtliche Feldsteine wurden komplett in Mörtel gesetzt.
Fürstenwerder - historische Postkarte mit Woldegker Tor - um 1900

Woldegker Tor (oben ca. 1900, unten 1958)

Fürstenwerder -  Woldegker Tor - Foto von 1958
Die Fundamentausbildung in den Torbereichen erreicht eine Tiefe von 100–80 cm. Hier wurden unbearbeitete Feldsteine verwendet, die ebenfalls in Mörtel gesetzt wurden. Die Breite der Fundamente überschreitet beidseitig die jeweilige Mauerbreite um ca. 20 cm. Die ursprüngliche Mauerabdeckung konnte nicht festgestellt werden. Erneuertes Mauerwerk erhielt als Abschluss eine ca. sechs cm starke Betonplattenabdeckung.
Der Bau der Stadtmauer wurde mit Feldsteinen durchgeführt, die zahlreich im Gelände um Fürstenwerder gefunden wurden. Es liegt in einer Endmoränenlandschaft.
Die noch bestehenden, im Originalzustand erhaltenen Abschnitte der Stadtmauer zeigen eine klare Linienführung und eine saubere Verarbeitungsqualität. Das zeugt von hohem Fachwissen und guter Arbeit der damaligen Bauarbeiter und Steinschläger.

In der Nähe des Berliner Tores befand sich ein Turm. Zeichnungen und Fotos davon sind nicht überliefert, nur mündliche Informationen. Vielleicht handelte es sich um einen Pulverturm oder ein Gefängnis.

Fürstenwerder - historische Postkarte mit Berliner Tor - um 1900

Berliner Tor (ca. 1900)

Arbeiter bei der Sanierung der Stadtmauer in Fürstenwerder
Bei den Sanierungsarbeiten der Stadtmauer im Jahr 2000 wurde am Wallscheunenweg, in der Nähe des neuen Sparkassengebäudes, bei einem wahrscheinlichen Wiekhaus ein „rundes“ Fundament entdeckt. Vielleicht handelte es sich um einen weiteren Turm. Die Sanierung dieses Fundamentes ist bis zum heutigen Tage leider nicht erfolgt. Vielleicht können noch weitere Rückschlüsse gezogen werden.
Arbeiter bei der Sanierung eines Turmes der Stadtmauer in Fürstenwerder
unsanierter Abschnitt der Stadtmauer in Fürstenwerder
Mit der Erfindung des Schießpulvers hatte die Stadtmauer ihre Verteidigungsund Schutzfunktion verloren. Im Laufe der Jahrhunderte führten Kriegseinwirkungen, Brände, Witterungseinflüsse, aber auch gezielter Abriss, zum Teil durch die Bürger Fürstenwerders selbst, zur weiteren Zerstörung der Stadtmauer. Dennoch hat die Stadtmauer Kriege und Feuer größtenteils überstanden, während die mittelalterliche, innerstädtische Wohnbebauung verlorenging.
Die Grenzlage hatte für Fürstenwerder auch Nachteile. Es gab keine Feldmarkerweiterungen und durch den späteren Verlust von Land, Seen und Einwohnern
verlor Fürstenwerder seine autonome Stellung. Auch Handelswege zwischen den Ländern veränderten sich. Das Stadtrecht ging 1817 verloren.
Mit veränderten Steuergesetzen, nach 1875, erlosch die Pflicht, die Tore allabendlich zu verschließen. Man konnte die Tordurchfahrten freihalten, so dass
sie zu jeder Tageszeit von jedermann passiert werden konnten. Als 1878 die Chaussee von Prenzlau her in Richtung Woldegk gebaut wurde, gab der damalige Amtsvorsteher August Lefévre das Prenzlauer Tor zum Abbruch frei.

Um schneller an die Seen zu gelangen und den Wassertransport zu erleichtern – Gebrauchswasser wurde damals in Eimern von den Seen in die Häuser getragen – erfolgten später viele Mauerdurchbrüche (Pforten) von den Grundstücken zu den Seen.
Der Mauerdurchbruch, den wir als „Plietenloch“ kennen, der von der KarlMarx-Straße (früher Ziegenort) zum See führt, wurde auch um 1890 ausgeführt.
Die Blockstraße (ehemals Petersilienstraße) war früher eine Sackgasse, hier erfolgte um 1900 ein Mauerdurchbruch zu den Scheunen außerhalb der Stadtmauer.

Durch ein verstärktes Verkehrsaufkommen nach 1960 und dem Bau eines Boden-Luftraketenobjektes der Nationalen Volksarmee der DDR in Weggun, verursachten große Fahrzeuge beim Durchfahren der Tore ernsthafte Schäden. Neue Verkehrslösungen mussten gefunden werden. Dem damaligen Bürgermeister Joachim Ohlbrecht und dem Ortschronisten Erich Blietschau ist es zu verdanken, dass die Tore nicht abgerissen wurden, sondern 1971/72 neue Ortsdurchfahrten neben den Toren geschaffen wurden. Dazu wurden beide Tore umfangreich saniert.

Mit der „Verordnung zur Erhaltung nationaler Kulturdenkmäler“ (Gesetzblatt der DDR, Nr. 84/1952) wurde die Stadtmauer unter Denkmalschutz gestellt.
Im Land Brandenburg gibt es nur 35 Orte mit einer Stadtmauer oder mit erkennbaren Resten. Im Landkreis Uckermark haben Angermünde, Templin, Prenzlau, Lychen, Fürstenwerder, Brüssow, Schwedt und Gartz Teile einer ehemaligen Stadtmauer.

Seit ihrer Sanierung im Jahre 2000 schlängelt sich die Stadtmauer, die ja heute eigentlich eine Dorfmauer ist, wieder wie eine „Halskette“ um Fürstenwerder.

saniertes Stadtmauer-Wiekhaus am Friedhof
Stadtmauer nach der Sanierung - an der Heimatstube in Fürstenwerder
sanierte Stadtmauer am Friedhof
Reste von Wiekhäusern innerhalb der Stadtmauer nach der Sanierung. Mittleres Bild: Die restaurierte Stadtmauer am Garten der Heimatstuben.

Literaturverzeichnis

  • Blietschau, Erich: Die Stadtmauer in Fürstenwerder, Prenzlauer Heimatkalender 1963
  • Pabst, Jörn: Kulturhistorische Landschaftselemente in Brandenburg, Berlin 1990
  • Voss, Kaija: Mittelalterliche Stadtbefestigungen im Land Brandenburg, Weimar 1999

(Auszug aus „Der Uckermärker – ein Heimatblatt“; Sonntagsbeilage „Zur Prenzlauer Zeitung“ mit „Kreisblatt Nr. 17, 28. April 1907“)

Die Stadtmauer Fürstenwerder - Dokument von 1907 - Der Uckermärker - Heimatblatt

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